Interview: Freizeitassistenz (1) | KSL.NRW Direkt zum Inhalt
Karten der Kampagne Persönliche Assistenz und ein Portrait von zwei Frauen in einer Garageneinfahrt und eine davon im Rollstuhl

Heinsberg

Das Interview wurde im Juli 2024 in der Wohnung der Assistenznehmerin geführt.

Fragen an eine Freizeitassistentin

Allgemeine Angaben

Vorname: Sabine
Nachname: Dahlmanns
Geburtsjahr: 1964

Ausbildung/Studium: Ausbildung zur Bürokauffrau
Bisherige(r) Beruf(e)/Tätigkeiten: Bürokauffrau; sie hat lange Zeit ihre Familienangehörigen gepflegt und ist seit November 2019 als Assistentin für Elke Bückers tätig.

Das Interview

Wenn Sie jemandem Ihren Beruf als Freizeitassistentin, der sich bei Ihnen mit dem der Haushaltsassistentin mischt, in einem Satz erklären müssten: Wie würde der lauten?
Ich unterstütze da, wo Hilfe benötigt wird – und das muss einem auch Freude machen. Wenn die Freude fehlt, stimmt wahrscheinlich auch die Chemie zwischen Assistenz und Assistenznehmer*in ebenfalls nicht.

Warum üben Sie diesen Beruf aus?
Na, weil es mir Spaß macht (schmunzelt). Wir unternehmen sehr viel zusammen. Bei uns war es zudem situationsbedingt das Umfeld: Sie suchte eine Assistentin und ich suchte einen Job. Und natürlich kann es sein, dass wir so viel Freude zusammen haben, weil wir uns so lange kennen.

Haben Sie eine Ausbildung in diesem Bereich?
Nein. Neben meiner ursprünglichen Tätigkeit als Bürokauffrau habe ich meine Schwiegereltern und meine Mutter sowie meinen Sohn gepflegt.

Sie arbeiten als Freizeit-/Haushaltsassistentin: Was tun Sie genau?
Ich fahre Elke Bückers zum Schwimmen, wir gehen zusammen einkaufen, backen zusammen und ich begleite sie zu Arztterminen.

Können Sie für Ihre*r Assistenznehmerin etwas bestimmtes anbieten, das nur Sie können? 
An dieser Stelle antwortet Elke Bückers, weil es ihrer Assistentin gerade nicht so leichtfällt, selbst darauf zu antworten: Sie kann zuhören und da sein. Sie ist verlässlich, vertrauensvoll und emphatisch.

Welche Fortbildungen/Ausbildungen haben Sie hierfür absolviert oder wie kam es dazu, dass Sie diese Tätigkeit jetzt ausüben?
Ich habe keine Fortbildung dafür absolviert.

Assistenz - Ist es für Sie einfach nur ein Job oder eher eine Berufung?
Eher Berufung. Ich habe sie im Jahr 2000 entdeckt als mein Sohn erkrankte. Dann habe ich die Schwiegereltern und meine Mutter gepflegt. Dadurch ist es auch gekommen, dass ich jetzt bei Elke bin.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Job besonders gut?
Die Tätigkeit selbst und die Beziehung.

Was gefällt Ihnen weniger gut?
Da gibt es nichts, was ich beanstanden könnte.

Arbeiten Sie ausschließlich als Assistent*in für Frau Bückers oder noch für andere Assistenznehmer*innen?
Ausschließlich für Frau Bückers.

Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie für Ihre*n Assistenznehmer*in?
Im Moment fünf Stunden an einem festen Tag in der Woche.

Wenn Sie es uns verraten möchten: Wie viel verdienen Sie oder – falls Sie das nicht beantworten möchten/dürfen – können Sie von Ihrem Gehalt leben?
Ich finde, dass ich gut verdiene. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wer bezahlt Sie? 
Elke Bückers bezahlt mich über das Persönliche Budget.

Wie haben Sie von diesem Beruf/dieser Tätigkeit gehört?
Elke hat mich direkt gefragt.

Was müsste/dürfte besser laufen, damit mehr Menschen diesen Beruf ausüben können?
Ich finde, im Falle meiner Assistenznehmerin braucht man nicht unbedingt ausgebildet sein. Bei stärkeren Behinderungen schon. Grundsätzlich muss die Menschlichkeit stimmen. Vielleicht sollten sich mehr Menschen vorstellen, wie es ist, auf Unterstützung angewiesen zu sein, und, dass Mitmenschlichkeit gerade dringend benötigt wird.

Warum sollten viel mehr Menschen diesen Job machen?
Weil viele Menschen diese Unterstützung brauchen und auf Hilfe angewiesen sind. Assistent*innen werden einfach gebraucht.

 

Fragen an eine Assistenznehmerin

Allgemeine Angaben

Vorname: Elke
Nachname: Bückers
Geburtsjahr: 1970

Ausbildung/Studium: Hauptschulabschluss und Berufsgrundschuljahr zur Vorbereitung im Büro;
Bisherige(r) Beruf(e)/Tätigkeiten: Verpackerin von Hygieneartikeln bei der Lebenshilfe Heinsberg

Das Interview

Welche Behinderung haben Sie?
Ich habe eine Tetraspastik – eine Störung im Bewegungszentrum.

Was finden Sie besonders gut an Ihrer Assistentin und wie kam es zu diesem Match?
Ich kann mich immer auf Sabine verlassen. Wir kennen uns schon sehr lange und haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis und wir können zusammen lachen. (Anm. d. Redaktion: Sabine Dahlmanns ist eine von fünf Assistent*innen von Frau Bückers. Die Eltern von Frau Dahlmanns haben schon in der Bäckerei der Eltern von Frau Bückers gearbeitet. Auch die Schwester von Frau Dahlmanns unterstützt Frau Bückers als Assistentin.)

Wenn Sie jemandem den Beruf „Freizeitassistenz“ in einem Satz erklären müssten: Wie würde der lauten?
Ich werde von meinen fünf Freizeit-Assistent*innen da unterstützt, wo ich Unterstützung brauche.

Welche Fähigkeiten/Fertigkeiten/Kompetenzen muss eine Assistenz mitbringen? Und warum?
Sie muss nicht unbedingt eine Ausbildung haben. Die Chemie zwischen uns muss stimmen. Und ich möchte spüren, dass die Assistent*innen Spaß an ihrer Arbeit haben. Ich weiß zwar, dass sie Geld dafür verdienen, dass sie mit mir zusammenarbeiten, aber ich möchte das nicht unbedingt spüren, dass es sich bei der Zusammenarbeit mit mir ums Geldverdienen geht. Deshalb baue ich eine freundschaftliche Beziehung auf.

In welchem Einsatzbereich arbeitet Ihr*e Assistent*in für Sie? Wie managen Sie Ihre fünf Mitarbeiter*innen?
Ich beschäftige meine fünf Assistent*innen im Arbeitgebermodell, und zwar mit dem Persönlichen Budget. Sie arbeiten als Freizeit- und Haushaltsassistent*innen – alle auf Mini-Job-Basis.

Können Sie einmal etwas genauer beschreiben, wie Ihr*e Assistent*in Sie unterstützt?
Zum Beispiel beim Umsetzen vom Rollstuhl auf den Beifahrersitz ins Auto, beim Einkaufen – um die Lebensmittel in den Einkaufswagen zu legen oder nach einem anstrengenden Arbeitstag, um gemeinsam Karten zu spielen oder Eis zu essen und einen heiteren und entspannten Feierabend zu erleben. Wir gehen auch zusammen ins Kino. Und sie fahren mich zur EUTB in Heinsberg, wo ich Menschen mit Behinderungen ehrenamtlich bei außer Haus-Terminen berate. Die Fahrten dahin organisieren aber die EUTB-Mitarbeiter*innen.

Warum haben Sie Ihre*n Assistent*in ausgewählt? Was kann sie/er besonders gut?
Sabine Dahlmanns kenne ich schon seit meiner Kindheit. Sonst, wenn ich Mitarbeiter*innen suche und die Menschen noch nicht so gut kenne, lasse ich sie immer einen Tag Probearbeiten. Bewerber*innen melden sich zum Beispiel über Stellenanzeigen, die ich im örtlichen Anzeigenblatt platziere. Zum Probearbeiten fahre ich mit ihnen meist zum Schwimmen. Beim Umkleiden, wo ich auch Unterstützung brauche, merke ich dann, ob die Chemie stimmt. Beim Schwimmen selbst brauche ich keine Unterstützung. Und ich sage den Bewerber*innen immer, dass sie sich ne Woche Zeit nehmen sollen, um zu spüren, ob sie sich die Zusammenarbeit auch vorstellen können.

Wer organisiert die Arbeit?
Im Moment organsiert meine Mutter die Organisation der fünf Assistent*innen, wie das An- und Abmelden bei der Mini-Job-Zentrale. Zunehmend übernimmt mein Vetter diese Arbeit.

Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Assistent*innen für Sie?
Man kann sagen, dass an jedem Tag ein*er der fünf Assistent*innen für mich arbeitet – grundsätzlich sechs Stunden an fünf Tagen. Prinzipiell hat jede*r einen festen Tag, zurzeit nur unter der Woche.

Was müsste/dürfte besser laufen, damit mehr Menschen diesen Beruf ausüben können?
Dazu kann ich nichts sagen.

Warum sollten viel mehr Menschen als Assistent*innen arbeiten?
Ich wünsche mir, dass es mehr Assistent*innen gibt, damit mein Alltag gewohnt weiterlaufen kann – und, wenn ich abends nach der Arbeit nach Hause komme, noch was Nettes wie Eis essen oder was Entspannendes wie Kartenspielen machen kann.